Von Investoren und Ignoranten
Was wäre die Costa Smeralda wohl ohne die Träume von Tausendundeiner Nacht geworden? Ein zweites Mallorca mit Ballermann und Bettenburgen aus Beton?
Vor 50 Jahren schipperte ein millionenschweres Schlitzohr an diesem damals unbesiedelten Küstenstreifen im Nordosten der Insel lang, der in kleinen Parzellen kurz zuvor den sardischen Schäfern von der Region zur Existenzsicherung geschenkt worden war – und kaufte ihnen die malerischen Flecken für einen Appel und ein Ei ab: Karim Aga Khan. Der ismaelitische Prinz, gebürtiger Schweizer und iranische Skirennläufer der Winterspiele von Innsbruck hatte eine goldene Nase – und schuf binnen kurzer Zeit hier das schönste und teuerste Ferienparadies des Mittelmeers.
Jetzt ist der Einfluss des Orients, der das Fundament des sardischen Tourismus begründet hat, aufgefrischt worden. Die Qatar Holding LCC, seit kurzem schon Besitzer der von Aga Khan gebauten wichtigsten Hotel-Anlagen der Costa Smeralda wie Cala Volpe und dem Hafen von Porto Cervo, hat gerade verkündet, auf einem neuen Grundstück von 2500 Hektar Größe drei Ferienparks mit vier neuen Luxus-Hotels zu bauen. Die Holding, erst 2005 von der Regierung des Emirates Katar gegründet, um die Überschüsse aus dem Öl- und Gasgeschäft gewinnbringend einzusetzen, gilt als eine der global potentesten Investmentgesellschaften – und ist unter anderem Anteilseigner der Londoner Börse (20%), Volkswagen (17 % Stammaktien) und Porsche SE (10 % Stammaktien).
Die Inselpresse ist im Zahlenrausch, frisiert das Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro auf “Tausend Millionen” und bläst mit den “drei Musketieren” Ugo Cappellacci (Sardiniens Regierungschef) und den beiden Bürgermeistern Gianni Giovannelli (Olbia) und Alberto Ragnedda (Arzachena), auf deren Gemeindegebiet die Megainvestition geplant ist, in die Fanfaren. Es handele sich keinesfalls um Spekulanten, versichert Cappellacci, sondern um umweltverträgliches Bauen, das sich inklusive Sanierungsprojekten auf ein Volumen von mehr einer halben Million Kubikmeter Betan beläuft.
Im fernen Cagliari dagegen geschieht genau das Gegenteil. Hier fingen sich gerade alle zuständigen Ämter zwischen Stadt und Region eine saftige Rüge des Rechnungshofes für das sträfliche Nichtstun auf Kosten der Steuerzahler ein, was die Ruine des alten Ospedale Marino betrifft. Das Gebäude ist das perfekte Symbol für den ruinösen Zustand der Verwaltung. Denn das gut 15 Meter hohe und über 100 Meter lange, leicht gebogene Betonmonster ist seit Jahren dem Verfall überlassen.
Ruinen gibt es viele – doch wohl keine ist wie diese. Erbaut 1938 in avangardistischer Architektur erbaut, steht es wie ein Atomkriegs-Relikt mitten am Poetto, um den das ganze Mittelmeer Cagliari beneiden kann – ein acht Kilometer langer Strand feinsten Sandes, der seicht in Richtung Meer abfällt, das hier das ganze Jahr über in Farben wie an der Costa Semralda schimmert. Zehn Fahrradminuten von der Altstadt entfernt.
Wie unermesslich die Ignoranz der öffentlichen Hand gegenüber dem Gemeinwohl hier sein kann, wird aber erst richtig deutlich, wenn man weiß, seit wann das Gebäude leer dem Verfall überlassen wird: seit 1982.