Sardinien Intim

Jazz-Sommernachtstraum am Meer

 

Empore zur Bühne im Steinbruch der Sinus-Halbinsel: hier steigt von 2. bis 5. Juli des Festival European Jazz Expo. Foto © Enrico Napoleone

Empore zur Bühne im Steinbruch der Sinus-Halbinsel: hier steigt von 2. bis 5. Juli des Festival European Jazz Expo. Foto © Enrico Napoleone

Seit Jahrzehnten ist Sardinien, vom Europa nördlich der Alpen noch immer relativ unbemerkt – eine der gediegensten Adressen für Jazz in Italien, weitab vom kontinentalen Mainstream, der zwar schön, aber programmatisch festgefahren, voll und weit, weit weg vom Meer ist… Das Meer Sardiniens hingegen ist so gediegen wie nirgendwo sonst – und zwar nicht nur in Italien, sondern überall zwischen der Straße von Gibraltar und dem Suez-Kanal.

Avantgarde trifft Archaik – der Parco dei Suoni. Foto © Jazz Expo

Und Sardinien gehörte nicht zu Italien, wenn nicht eine Verkettung unglaublicher Verwaltungs-Vorfälle dazu geführt hätte, dass die European Jazz Expo in diesem Jahr von 2. bis 5. Juli nicht in Cagliari, sondern im Parco dei Suoni stattfindet – einem archaischen, verlassenen Sandsteinbruch an der Küste etwas oberhalb der Mitte der Sinis-Halbinsel. 40 Konzerte mit 150 Musikern unter freiem Himmel auf vier Bühnen, deren Panorama spektakulärer kaum sein könnte. Mit Musikern wie Inkognito, Hiromi, Enrico Rava, dem Volcán Quartett, Kurt Elling, Funk Off und vielen anderen (hier geht’s zum kompletten Programm).

Sensationeller Ort, sensationelles Meer, sensationelle Musik: Der Parco dei suoni della Musica auf der Sinis-Halbinsel bei Riola Sardo

Die Wahl des Veranstaltungsortes ist vor allem aus zwei Gründen besonders bizarr – mal ganz abgesehen davon, dass er sich wie kaum eine andere von Menschenhand bearbeitete Naturkulisse auf Sardinien dafür eignet, Musikkonzerte zu veranstalten. Denn zum einen ist seit der Gründung der lange unter Jazz in Sardegna bekannten Festivalreihe 1980 bisher Cagliari der zentrale Veranstaltungsort gewesen. Zum anderen ist der Wegzug aus der Inselhauptstadt nicht unwesentlich der enttäuschenden Verwaltung einer jungen Rathaustruppe zuzuschreiben, die 2011 Cagliaris eisern seit dem Kriegsende regierende erzkonservative Vetternwirtschaft mit der Ankündigung auf die Oppositionsbänke schickte, vor allem eines zu erneuern: die Kultur.

So hatte im vergangenen Jahre der Trupp um den heute 39-jährigen Massimo Zedda (SEL – Sinistra Ecologia e Libertà) doch glatt das Kunststück fertig gebracht, sage und schreibe eine Woche vor Beginn des seit Monaten geplanten und vorbereiteten Festivals den Veranstaltungsort Parco della Musica neben dem Teatro Lirico im Herzen der Inselhauptstadt dem Festival zu verweigern, da nach Meinung des Grünflächeamtes und mit dem Segen des Bürgermeisters sich der Park für Jazzkonzerte aus akustischen Gründen nicht eigne… während in anderen, weniger einwohnerstarken Ortsteilen das Gegröle exzessiver nächtlicher Alkoholexzesse jenseits von gut und böse im Rathaus weitgehend auf taube Ohren stößt…

Die European Jazz Expo ist aus Cagliari jedenfalls erst mal verschwunden, nachdem die Stadt es schon im vorigen Jahr vergeigt hatte, europäische Juroren mit ihrer Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas 2019 zu überzeugen. Dabei braucht Cagliari als städtisches Aschenputtel eines dringender als alle anderen Orte der Insel: Touristen. Wie gut die Chancen der Stadt sind und wie wenig bisher getan wurde, hat der Deutschlandfunk vor kurzem berichtet. Den Link zur Audio-Datei der Radio-Reportage gibt es hier.

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