Die Meldung schäumte Ende Juni 2018 die Gemüter der Mittelmeerurlauber auf wie 1975 “Jaws” von Steven Spielberg Millionen Kinobesucher: Zum ersten Mal seit 40 Jahren soll vor der Küste Mallorcas ein Weißer Hai gesichtet worden sein. Das berichtete selbst die italienische Nachrichtenagentur ANSA.
Alle möglichen Medien schrieben von einem “mächtigen” Exemplar der Gattung Carcharodon carcharias, das vor der Küste der kleinen Baleareninsel Caprera keine zehn Seemeilen südlich entdeckt wurde. Und zwar nicht von einem Boulevard-Reporter, sondern von einer internationalen Forschercrew namens “Alnitak”.
Die Crew (siehe Foto oben) postete sogleich auch Bilder des Räubers auf ihrer Facebookseite. Und teilte mit, dass sie den Hai, der rund fünf Meter lang sein soll (Weiße Haie werden bis zu zehn Meter lang), mehr als eine Stunde lang in bis zu drei Metern Entfernung vom Forschungsschiff, einem norwegischen Zweitmast-Schoner (siehe Foto), beobachtet und gefilmt hätten. Es handele sich um eine “wichtige Beobachtung” – die erste seit 30 (und nicht 40, wie ANSA berichtet) Jahren in spanischen Mittelmeergestaden.
Doch was ist dran an dieser Meldung? Und können diese Tiere auch vor der sardischen Küste auftauchen und schmausen, wie sie das in den ersten zwei Juliwochen 1916 an der Atlantikküste von New Jersey getan haben? Damals waren vier Menschen zwischen dem 1. und 12. Juli von Haien getötet worden. Zu jener Zeit herrschte eine besondere Hitze an der Küste der USA, und wegen eine Polio-Epedimie waren damals weit mehr Badegäste ins Meer gegangen als üblich.
Während der Haiangriffe an der Küste von New Jersey wurden in den Tagen vom 1. bis zum 12. Juli 1916 vier Personen von Haien getötet und eine weitere verletzt. Die Angriffe ereigneten sich zu einem Zeitpunkt, an dem sich wegen einer Hitzewelle und einer Polio-Epidemie Tausende von Badegästen in den Küstenorten an der Atlantikküste von New Jersey aufhielten. Angriffe von Haien auf Menschen an der Atlantikküste nördlich von North Carolina stellen bis heute eine Ausnahme dar. Vor den Angriffen im Sommer 1916 ging man davon aus, dass Schwimmer an diesen Küstenabschnitten keinerlei Gefahr durch Haie ausgesetzt seien. Seit 1916 diskutieren Wissenschaftler, welche Haiart für die Angriffe verantwortlich war, ob die Angriffe von mehr als nur einem Hai ausgingen und welche Faktoren zu dieser Häufung von Attacken geführt haben.
Weiße Haie sind im Mittelmeer immer wieder gesichtet worden. So berichtete der “Stern” auf seiner Homepage Ende Mai 2018, dass Fischer 65 Kilometer vor dem tunesischen Djerba einen kapitalen Weißen Hai als Beifang an Bord gezogen haben. Generell seien Weiße Haie im Mittelmeer durchaus anzutreffen, zitiert das Portal den Hai-Experten Simon Weigmann von der Deutschen Elasmobranchier-Gesellschaft (DEG), die sich dem Schutz von Haien widmet. Aktuell gehe die Forschung davon aus, dass es sich bei den Weißen Haien im Mittelmeer um eine eigenständige Population handle.
Doch bei dem Hai, der Ende Juni vor Carbrera gesichtet wurden, könnte es sich laut des Instituts für Meereswissenschaften in Barcelona, einer Expertin der Balearen-Universität UIB und dem Meeresbiologen Gabriel Morey um einen Heringshai handeln, zitierte zumindest das “Mallorca Magazin” die Quellen. Der Heringshai sieht dem Weißen Hai zwar tatsächlich sehr ähnlich, was Form und Färbung betrifft – vor allem die extrem konische Schnauze und der weiße Bauch), wird im Gegensatz zum großen Bruder, der bis zu zehn Meter Länge erreicht, aber nur drei bis vier Meter lang. Und ein klassisches Forschungsschiff ist die “Tofetvaag”, wie der Alnitak-Schoner heißt, auch nicht. Es werden zwar Feldstudien betrieben. Aber das Schiff ist auch mit Schülern unterwegs, um sie mit dem Meer vertraut zu machen.
Auch in sardischen Gewässer tauchen immer wieder Haie auf. Doch handelt es sich dabei meist um andere Gattungen. Im Februar 2017 war im Golfo di Orosei ein Riesenhai beobachtet und fotografiert worden, Sardinien Intim hat darüber berichtet. Fuchshaie, erzählen sardische Thunfischer, werden während der sardischen Mattanza-Saison wieder angelockt von den großen Netzfallen der Tonnaras und versuchen, sich an den Riesenmakrelen gütlich zu tun, die in großen Schwärmen in den Netzfallen schwimmen, bis sie bei dem blutigen Ritual mit einem beweglichen Bodennetz während der Mattanza an der Wasseroberfläche gezerrt und mit schweren Haken an Bord gehievt werden. Fuchshaie werden bis zu 7,5 Meter lang. Die Hälfte davon nimmt allerdings allein die obere Schwanzflosse ein. Und obwohl sie gelegentlich auch in Ufernähe kommen sollen, um dort in den Tonnaras zu wildern, ist nie etwas von Angriffen auf Menschen bekanntgeworden.
Welcher Hai-Typ damals im Juli 1916 für die vier tödlichen Angriffe verantwortlich war, konnte nie zweifelsfrei geklärt. Knapp 60 Jahre später dienten sie in jedem Fall als Vorlage des 1940 in New York geborenen späteren Autors Peter Benchley für seinen Roman “Jaws”, der 1974 erschien ein Jahr später von Spielberg zu seinem legendären Tier-Horror verfilmt wurde.